Ziel
Karl Hörmann
Lexikon der christlichen Moral

LChM 1976, Sp. 1740-1742


1. Bildl. gesprochen ist das Z. der Punkt, dem der Wanderer zustrebt. Begriffl. nennt man das Z. das, was der Handelnde durch Anwendung von Mitteln erstrebt. Die Unterscheidung Z. (des Strebens; eine Person erstrebt ein Z.) u. Zweck (des Mittels; ein Mittel dient einem Zweck) wird nicht allg. verwendet.

Mit Thomas v. A., (S.Th. 2,2 q.141 a.6 ad 1) kann man von zweierlei Z.en sprechen: Ein Wesen kann seiner ganzen Beschaffenheit nach auf ein Z. hinweisen; dies ist darauf zurückzuführen, daß es von einem anderen Wesen auf dieses Z. ihn ins Dasein gerufen u. dementsprechend ausgestattet wurde (ein Haus wurde z.B. als Wohnhaus od. als Schule gebaut); man kann sagen, diesem Wesen sei ein Z. gesetzt, das, weil die Beschaffenheit des Wesens darauf hinweist, auch inneres, natürl., objektives od. Werkziel (finis operis) genannt werden kann. Daneben gibt es Wesen, die mit Entscheidungsfreiheit ausgerüstet sind u. daher Z.e frei wählen können; ein freigewähltes Z. nennt man auch subjektives Z. (f. operantis).

Auf den Menschen trifft beides zu: Er ist Geschöpf u. vom Schöpfer um eines Z.es willen ins Dasein gerufen; infolge seiner Fähigkeit zu freier Entscheidung kann er sich aber auch selbst Z.e wählen.

Auch beim Tun des Menschen kann unterschieden werden zw. dem Z., auf das dieses Tun seiner ganzen Beschaffenheit nach hinweist (f. operis), u. dem Z., auf das sich die Absicht des Menschen richtet (f. operantis).


2. Die sittl. Aufgabe des Menschen baut darauf auf, daß er sich selbst Z.e wählen kann. Gesetzt ist ihm ein letztes Z., das er erreichen soll (Bestimmung). Erreichen kann er es, wenn er sein Verhalten so einrichtet, daß es ihn zum Z. führt. Die sittl. Aufgabe kann daher so formuliert werden: Wähle deine freien Z.e in Übereinstimmung mit dem dir gesetzten Z. Ignatius v. Loyola stellt daher an den Beginn seiner Exerzitien (Nr. 23) als Grundwahrheit u. Grundlage die Wahrheit vom Z. des Menschen. Die Moraltheologie, die dem Menschen seinen Weg zu zeigen hat, muß sich notwendigerweise auch um sein Z. umsehen (vgl. Moralprinzip).

Hinter dem gesetzten Z. steht der Wille des Setzenden. Letztl. ist der Mensch daher nicht auf eine sachl. Ordnung (sittl. Ordnung) verpflichtet, sondern auf den Ruf des persönl. Gottes, zu dem er als Person in der Wahl seiner Z.e frei Stellung zu nehmen hat (Pflicht, Verantwortung).


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