Irrtum
Karl Hörmann
Lexikon der christlichen Moral

LChM 1976, Sp. 826-828


Der menschl. Erkenntnis kann ein I., d.h. ein falsches Urteil, über die sittl. Beschaffenheit eines Verhaltens unterlaufen. Der Wille aber, dem die Sittlichkeit im eigentl. Sinn zukommt, entscheidet sich für od. gegen jene Beschaffenheit des Verhaltens, die ihm im Gewissen existentiell vergegenwärtigt wird. So sind falsche Werturteile für die Selbstgestaltung des menschl. Lebens nicht belanglos.


1. Unüberwindl. (error invincibilis) ist der I., wenn man ihn bei bestem Willen nicht ablegen kann. Ein solcher I. kann dem Menschen nicht zum Vorwurf gemacht werden, da er gänzl. ohne seinen Willen da ist. Wenn unter dem Einfluß des I.s eine Entscheidung zustandekommt, ist sie so weit unwillentl. u. daher nicht anrechenbar, wie sie vom unüberwindl. I. bestimmt wird.

Am überwindl. I. (e. vincibilis), der bei einiger Sorgfalt berichtigt werden könnte, hat der Wille einigen Anteil, da er eben nicht hinreichend auf die mögl. Überwindung des I.s hinwirkt. So kann u. muß das aus überwindl. I. entsprungene Verhalten dem Menschen in gewissem Maß angerechnet werden.


2. Zum Aufkommen von Irrtümern (falschen Werturteilen) können außer der Fehlbarkeit der menschl. Erkenntnis u.a. die Erziehung, der Umgang mit Irrenden, die Massenmedien beitragen. Für eine richtige Lebensgestaltung ist es wichtig, daß sich der Mensch nicht kritiklos vom Denken anderer beherrschen läßt, sondern zu selbständiger sittl. Urteilsfähigkeit gelangt.

Falsche Ansichten, im besonderen Tatsachenurteile, die das Verhalten beeinflussen, können auch krankhaften Ursprung haben. Wenn Menschen, die im übrigen anscheinend richtig urteilen u. handeln, in einzelnen Punkten ein unbegreifl. Verhalten an den Tag legen, kann dieses Verhalten möglicherweise fixen Ideen entspringen, also Symptom seelischer Krankheit sein. Wenn dies zutrifft, sind sie für dieses Tun nicht verantwortl.


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