Indifferentismus
Karl Hörmann
Lexikon der christlichen Moral

LChM 1976, Sp. 825 f


1. Als I. (lat. indifferens = gleichgültig) bezeichnet man die Gleichgültigkeit gegenüber verschiedenen Religionen, Religionsgemeinschaften, Weltanschauungen, sittl. Anschauungen, in der Annahme, sie seien alle gleichwertige Ausdrucksweisen des Menschengeistes. Die praktische Haltung des I., kann aus bloßer geistiger Trägheit, die durch Erziehung u. Umgebung begründet u. verstärkt werden kann, aber auch aus theoretischem I. stammen. Die Wurzeln des letzteren sind Agnostizismus (Leugnung der Fähigkeit der menschl. Vernunft, über die sinnl. Erfahrungswelt hinaus etwas mit Gewißheit zu erkennen), Atheismus (ohne Gott sind alle Religionen gleich wenig wert; Unglaube) od. Leugnung wenigstens eines Teiles der Glaubenswahrheiten (aus der heraus der Unterschied zw. den christl. Bekenntnissen verwischt wird; Häresie).


2. Nach kath. Auffasssung ist es dem Menschen mögl., von der sinnl. Erfahrung aus zu Transzendentem (sie Übersteigendem: Sein des Menschen u. der Dinge, Sein Gottes) wenigstens in analoger Erkenntnis vorzudringen. Um den phil. Nachweis dafür bemüht sich die Erkenntnistheorie. Die Offenbarung schreibt dem Menschen die Fähigkeit zu, mit seiner natürl. Vernunft sowohl Gott (Weish 13; Röm 1,20) wie auch die von Gott mit der Menschennatur verbundenen sittl. Forderungen (vgl. Natürl. sittl. Gesetz) zu erkennen (Röm 2,14 f). Daran hält sich die kirchl. Lehre (D 1922 2441 2812 2853 3004 3026 3475 3538 3892). Das Forschen nach der Wahrheit macht ein unabdingbares Element der vom Menschen zu erfüllenden wesentl. Lebensaufgabe aus (vgl. Bildung, Bestimmung des Menschen). Die kirchl. Lehre lehnt den I. wegen Vernachlässigung dieser Pflicht ab (D 2915-17 3252).


3. Vom Staat fordert man mit Recht Achtung u. Schutz der Religionsfreiheit. Nicht zu billigen ist es jedoch, wenn die Staatsgewalt die Erfüllung dieses Verlangens mit Erwägungen des theoretischen I. begründet, weil sie damit Urteile in rel. Fragen abgibt, für die sie nicht zuständig ist.


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