Zeitwahl, B.
Karl Hörmann
Lexikon der christlichen Moral

LChM 1976, Sp. 1737-1740


B. Moraltheol.


1. In Fällen, in denen verantwortungsbewußte Elternschaft von Gatten die Vermeidung der Empfängnis verlangt, bietet sich als einer der gangbaren Wege die Z. (periodische Enthaltung vom ehel. Verkehr an den fruchtbaren Tagen, Wahl der unfruchtbaren Tage dazu, Ermöglichung empfängnisfreien Verkehres durch diese Wahl = fakultative Sterilität) an. Ihre Brauchbarkeit für diesen Zweck hängt von ihrer Sicherheit, ihrer Zumutbarkeit, ihrer Unschädlichkeit ab.


a) Als sicher kann die Z. angesehen werden, wenn es auch einfachen Frauen gelingt, ihre unfruchtbaren Tage sicher genug festzustellen. Dazu haben die über die bloße Kalenderabrechnung hinaus entwickelten Feststellungsmethoden beträchtl. beigetragen; entscheidend kommt es für das Gelingen auf die Bereitschaft zur Z. an.

Wenn ein Paar sich vom Beginn der Ehe an in die Z. einübt, kann es große Sicherheit gewinnen. Selbst wenn ein Kind sich einstellt, das zu diesem Zeitpunkt nicht beabsichtigt wurde, wird daraus nicht eine tragische Situation entstehen.


b) Daß die Z. zumutbar sei, wird nicht selten in Frage gestellt.

Als unzumutbar bezeichnen manche die ständige Selbstbeobachtung, die die Z. erfordert. Aus entsprechenden Gründen muß der Mensch aber auch in anderen Bereichen diese Aufgabe auf sich nehmen.

Man sagt ferner, die Z. bringe die ehel. Einung um ihre kostbare Spontaneität, da sie ihr vorberechnete Zeiten zuweise, zumal die Frau in den fruchtbaren Tagen das stärkste u. in den unfruchtbaren Tagen das geringste Verlangen nach dem Verkehr habe. Einschlägige Untersuchungen haben jedoch für unsere Verhältnisse ergeben, daß die Fähigkeit der Frau zum Verkehr nicht an die fruchtbaren Zeiten gebunden ist u. daß nur ein geringer Prozentsatz der Frauen ein gesteigertes Verlangen in den Tagen um die Ovulation erlebt; die Bereitschaft zum Verkehr wird nicht nur durch körperl., sondern auch durch seelische Gegebenheiten bestimmt. So unrichtig es wäre, wollte sich der Mensch um spontane körperl. u. seelische Regungen überhaupt nicht kümmern, so bedenkl. wäre es auch, ließe er sich nur von ihnen leiten; damit würde jede sittl. Ordnung der Sexualität hinfällig.


c) Wenn zur Brauchbarkeit einer Methode der Empfängnisvermeidung gehört, daß die Gatten dadurch weder einander noch einer im Fall des Versagens od. später sich einstellenden Nachkommenschaft Schaden zufügen, macht die Unschädlichkeit einen beachtl. Vorzug der Z. aus.


2. Unter sittl. Gesichtspunkt kann die Z. nur unter der Voraussetzung gebilligt werden, daß das Ehepaar sittl. haltbare Gründe zur Vermeidung des Kindes hat (vgl. Pius XII., UG 1070 1073; Paul VI., HV 17; bei einer dem Eheabschluß vorangehenden Vereinbarung der Partner, einander das Recht auf die leibl. Einung nur für die unfruchtbaren Tage gewähren zu wollen, sieht Pius XII. die Ehe sogar als ungültig an, UG 1069). Wenn solche Gründe bestehen, kann in sittl. Hinsicht als Vorzug der Z. vermerkt werden, daß sie im Sinn der Liebe, wie sie der Ehe u. der Familie aufgetragen ist, angewandt werden kann. Unter der Voraussetzung, daß die Gatten die Z. durch entsprechende Sorgfalt zu einer sicheren Methode der Empfängnisregelung machen u. daß sie durch rücksichtsvolles Eingehen aufeinander etwaige psychische Schwierigkeiten beseitigen, ermöglicht ihnen diese Methode in den unfruchtbaren Zeiten eine vorbehaltlose, gelöste Hingabe aneinander u. dadurch die Vertiefung ihrer Verbundenheit in Liebe. Weiters kann der für die fruchtbaren Zeiten notwendige Triebverzicht zur Persönlichkeitsreifung bedeutend beitragen. Ferner paßt die Z. sich natürl. Vorgängen an, ohne diese abzuändern (vgl. HV 16); dadurch werden jene (gesundheitl.) Störungen vermieden, die durch abändernde Eingriffe hervorgerufen werden können.

Schließl. kann man fragen, ob die Z. die Gattenliebe nicht in einem gewissen Sinn schmälert, da sie ihr die Krönung durch das Kind vorenthält. Eine Schmälerung wird dann nicht zu befürchten sein, wenn Gatten die Vertiefung ihrer Liebe auch dem Kind zugute kommen lassen wollen, schon vorhandenen Kindern od. später zu zeugenden Kindern, zu denen sie bei Wegfall der Schwierigkeiten bereit sind. Einer geschmälerten Liebe verschreiben sie sich jedoch, wenn sie die Z. üben, weil sie das Kind einfach ablehnen, od. wenn sie sich durch die Praxis der Z. zu einer solchen Ablehnung führen lassen.

Unter entsprechenden Voraussetzungen wird die Z. vom kirchl. Lehramt gebilligt. Die Anfänge dazu finden sich in Antworten der Hl. Pönitentiarie v. 1880 u. 1932 (D 3148 3748) u. bei Pius XI. ("Casti connubii", D 3718). Mit der Vervollkommnung der Kenntnis des Zyklus von Fruchtbarkeit u. Unfruchtbarkeit werden die Aussagen deutlicher (Pius XII., UG 1170-73). Das 2. Vat. Konz. wünscht die Mithilfe von Fachleuten zur genaueren Klärung der Voraussetzungen für eine sittl. einwandfreie Geburtenregelung (GS 52) u. die kluge Unterrichtung der Menschen über die wissenschaftl. Fortschritte in der Erforschung von sicheren u. moralisch einwandfreien Methoden zur Regelung der Kinderzahl (GS 87). Paul VI. wiederholt diesen Wunsch im Hinblick auf die Z.; er ist überzeugt, daß die Gatten bei entsprechenden Voraussetzungen durch ihre Anwendung ein Zeugnis rechter Liebe geben können (HV 16) u. sich in den Dienst des auf den Schöpfer zurückgehenden Planes für die Ehe stellen (HV 13), der ein Plan der Liebe ist (HV 8).


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