Wehrpflicht
Karl Hörmann
Lexikon der christlichen Moral

LChM 1976, Sp. 1701-1703


1. Die staatl. Gewalt hat unter der Voraussetzung, daß sie u. der von ihr geleitete Staat legitim sind, die Pflicht u. das Recht, von den Staatsbürgern das zur Erhaltung des Staates Notwendige zu fordern. Dazu gehört die Schaffung einer militärischen Macht, mit deren Hilfe die Staatsgewalt das Recht durchzusetzen, zu verteidigen u. zu sichern hat. Der notwendige Umfang dieser Macht hängt vom Wert der bedrohten Güter, vom Grad der Bedrohung u. vom technischen Stand der Angriffs- u. der Verteidigungsmittel ab. Daraus ergibt sich, daß die Staatsbürger die Pflicht haben, den Militärgesetzen Folge zu leisten, wenn diese gerecht sind, d.h. den Bürgern nicht mehr als die notwendigen Lasten auferlegen u. auf die Leistungsfähigkeit der einzelnen Rücksicht nehmen.

Die Kirche ist lang dafür eingetreten, daß man zumindest im Frieden mit Berufsheeren das Auslangen finde, weil diese die Staatsbürger weniger belasten als die Heere mit allg. W. Die seit Napoleons Zeiten in immer mehr Ländern eingeführte allg. W. brachte ein Wettrüsten, Steuererhöhungen, Berufseinschränkungen u. Kriege. Auf solche Schäden wies Leo XIII. eindringl. hin ("Praeclara gratulationis", ASS 26,714), u. Benedikt XV. setzte sich für die Aufhebung der allg. W. ein (zitiert von Pius XII., UG 4413). Die besondere Zeitlage kann für ein Land aber so sein, daß ein Berufsheer zu seinem Schutz nicht ausreicht. In diesem Fall sind die Gesetze über die allg. W. gerecht u. binden im Gewissen. Ob die Lage derart ist, kann eher die verantwortl. staatl. Autorität als der Durchschnittsbürger feststellen. Nach Pius XII. haben rechtmäßige Volksvertretungen u. Regierungen unter entsprechenden Voraussetzungen das Recht zu solchen Maßnahmen (UG 4413). "Wer aber als Soldat im Dienst des Vaterlandes steht, soll sich als Diener der Sicherheit u. Freiheit der Völker betrachten. Er trägt durch die rechte Ausübung seines Dienstes wahrhaft zur Festigung des Friedens bei" (2. Vat. Konz., GS 79); damit heißt das Konzil den Dienst des Soldaten unter entsprechenden Voraussetzungen gut, zu denen vor allem die Ausrichtung dieses Dienstes auf Sicherheit u. Freiheit der Völker u. auf die Festigung des Friedens gehören. Auch von der berechtigten allg. W. sollen bei berücksichtigungswerten Gründen Ausnahmen gemacht werden. Ferner liegt auf dem Staat die Pflicht, nach Möglichkeit vorzusorgen, daß das Militärleben unter rel. u. sittl. Gesichtspunkt erträgl. ist.


2. In vielen Ländern gibt es heute Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen. Entweder halten sie allg. die Anwendung v. Gewalt od. wenigstens den heutigen Krieg mit Verwendung moderner Waffen für unerlaubt od. erscheint ihnen ein bestimmtes kriegerisches Unternehmen als ungerecht. Auch lehnen manche den Militärdienst im Frieden ab, weil sie ihn als Vorbereitung zum unerlaubten Krieg od. in der augenblickl. Situation für nachteilig ansehen. Die Gegner jeder Gewaltanwendung erliegen einer Fehlauffassung. Bei den übrigen Gründen handelt es sich um Tatsachenfragen, über die unter Umständen auch Fachleute verschieden urteilen können. Für den Staat empfiehlt es sich, die Verweigerer aus Gewissensgründen nicht zum Wehrdienst zu zwingen, damit sie nicht zu etwas genötigt werden, was ihnen als sittl. verwerfl. erscheint; der Staat darf sie aber von der Werbung für die Verweigerung abhalten, wenn sich diese für die öffentl. Sicherheit nachteilig auswirkt. Pius XII. hat unter Beachtung des objektiven Sachverhalts erklärt, daß bei rechtmäßiger Vorschreibung der allg. W. "ein kath. Bürger sich nicht auf sein Gewissen berufen kann, um den Kriegsdienst zu verweigern u. die vom Gesetz festgelegten Pflichten nicht zu erfüllen" (UG 4413). Das 2. Vat. Konz. nimmt ergänzend auf den subjektiven Gewissensstand des Verweigerers, mag diesem richtige Erkenntnis od. Irrtum zugrunde liegen, Rücksicht u. sieht es als gerechtfertigt an, "daß die Gesetze in humaner Weise für den Fall derer Vorsorge treffen, die aus Gewissensgründen den Waffendienst verweigern, jedoch zu einer anderen Form des Dienstes für die menschl. Gemeinschaft bereit sind" (GS 79). Das österr. Wehrgesetz 1955 (§ 25) u. das W.gesetz der BRD 1956 (§ 25) schreiben zwar allg. W. vor, lassen aber einen nichtmilitärischen Ersatzdienst für jene zu, die aus Gewissensgründen jede Anwendung von Waffengewalt ablehnen.


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